Hartmut Rübner

Durch die „Religion des Charakters“ ins „Paradies des Geistes“.

Die lebensreformerische Philosophie und eugenische Politik des Heilkundlers Christoph von Hartungen

Christoph (IV) Hartung von Hartungen, am 8. Juni 1849 in Wien in eine gutsituierte Familie geboren, die mehrere Medizinergenerationen hervorbrachte, gilt als einer der herausragenden Pioniere der Homöopathie in Österreich.[1] In Fachkreisen machte sich von Hartungen als Autor auf dem Gebiet der Naturheilkunde einen Namen.[2] Nachdem der eben erst 24-Jährige zum Dr. med. promoviert hatte, wirkte er gemeinsam mit dem Vater Erhard von Hartungen (1819-1893) als freiberuflicher Arzt in seiner Heimatstadt. Zu ihrem Patientenkreis gehörte eine großbürgerlich-adlige Klientel.

Naturheilkunde gegen Neurasthenie und Degeneration

Im Jahre 1888 gründeten Vater und Sohn von Hartungen, den seinerzeit nicht ungewöhnlichen Ausweichreaktionen gegenüber den Auswirkungen der Industrialisierungen folgend, ein Reform-Sanatorium in Riva am Gardasee, damals zu Tirol, also zur österreich-ungarischen K.u.K.-Monarchie gehörend. Nach dem Vorbild der mitteleuropäischen Lebensformbewegung war das Institut auf den Einsatz von Naturheilmitteln spezialisiert. Dementsprechend wurde eine Natur- und Wasserheilanstalt nebst einer Lufthütten-Kolonie errichtet, in der nicht nur die Homöopathie praktiziert, sondern darüber hinaus auch ein geistiger, moralischer und ethischer Bewusstseinswandel angestrebt wurde. Besonders widmete man sich den diffusen Leidenserfahrungen des gehobenen Bürgertums, die unter dem damals populären Begriff „Neurasthenie“ firmierten. Als Symptome dieser ersten Zivilisationskrankheit wurden eine „‘reizbare Schwäche‘, ein halb hypochondrisches, halb somatisches Wollen-und-nicht-Können“ zwischen „befriedigungsloser Hyperaktivität und ruhelosem Phlegma“ diagnostiziert. Vor dem Hintergrund der sich in der Gründerzeit entfaltenden Dynamik waren diese Phänomene insofern nicht untypisch, in der sich viele Zeitgenossen, meist aus dem Bürgertum, schlicht überfordert fühlten: „Die Angst vor den Folgen ausschweifenden Genusses – Alkohol, Nikotin, Sexualität – trieb den Neurastheniker in die Versagensangst.“[3] Diesem nervösen Leiden mit unsicherer Diagnose widmete sich seit Ende der 1880er Jahre eine neue Heilstättenbewegung, u. a. mit Kneippkuren, Luftbädern, Vegetarismus oder Atemtherapien.[4] Von der verbreiteten Sehnsucht nach unverfälschter Natur und körperlicher Gesundheit profitierte auch das luxuriöse, als „Erholungsheim für Nervenkranke und Diabetiker“ bekannte Reform-Sanatorium von Hartungens.[5] Unter den exponierten Neurasthenikern und Workaholics im deutschsprachigen Raum avancierte die Adresse zu einem Geheimtipp. Besonders angezogen wurde die bürgerliche Künstler und Literatenszene, nicht zuletzt deshalb, weil sich hier die Übergänge von einem Patienten- zu einem Freundeskreis fließend gestalteten. Als Anhänger der hygienisch-naturalistischen Bewegung legte von Hartungen besonderen Wert auf eine intensive Beratung. Durch seine emphatische Art und vor allem durch seine musische und literarische Bildung sprach der Mediziner die intellektuellen Bedürfnisse seiner exklusiven Klientel an, darunter viele Künstler wie Eugen d‘ Albert und Louis Kolitz, besonders aber Dichter wie z. B. Christian Morgenstern oder Literaten wie die Brüder Mann, Franz Kafka, den Bühnenautor Hermann Sudermann und den nationalistisch gesinnten Schriftsteller Peter Rosegger. Fachliche Kontakte pflegte von Hartungen zu den Anthroposophen Rudolf Steiner, dem bereits bekannten Wiener Psychologen Siegmund Freud, den Sexualwissenschaftler Magnus Hirschfeld und den Kriminalpathologen Prof. Cesaro Lombroso.[6]

Bei seinem zweiten Besuch in Riva wurde Franz Kafka am 3. Oktober 1913 Zeuge, wie sich ein Neurasthenie-Patient, der 66-jährige pensionierte Generalmajor Ludwig von Koch, sich durch einen Schuss in den Kopf selbst richtete.[7] In von Hartungens Villa Cristoforo logierte Thomas Mann mehrfach für Behandlungen (u. a. November 1901, Oktober/November 1902 und April/Mai 1904). Die vorgefundene Atmosphäre inspirierte ihn später zu seinem zentralen Werk „Der Zauberberg“ (1924).[8] Verweise auf Hartungen finden sich noch in seinem Altersroman „Doktor Faustus“ (1947). Für Heinrich Mann, der das Sanatorium in Riva erstmals 1903 aufsuchte, wurde Hartungen so etwas wie ein älterer, ärztlicher Freund. Das enge Verhältnis hinterließ seine literarischen Spuren. So etwa in „Die Kleine Stadt“ (1909) oder „Der Atem“ (1949).[9] In der Romantriologie „Die Göttinnen“ wird die empathische Vorgehensweise von Hartungens als ebenso reserviertes wie schmeichelhaftes Gebaren geschildert: „Er wird Sie auf Wienerische Art mit betäubender Liebenswürdigkeit geistig vergewaltigen, dass Ihnen kein Besinnen auf Ihre Krankheit mehr freisteht.“[10] Diese fürsorgliche Belagerung verordnete den Kurgästen ein striktes Lese- und Schreibverbot, was beide Manns allerdings verstohlen umgingen.[11]

Einen bedeutenden Einfluss auf das Werk der Brüder Mann war das populäre Werk des Gerichtsmediziners und Psychologen Cesare Lombroso (1835-1909), der in seiner Kriminalanthropologie „ein universales System der Devianz“ zu entwerfen versuchte, die auch das „Wesen der Frau“, die „Hierarchie der Rassen“, den „Einfluss des Klimas auf das Denken“, aber auch die Gebiete der Graphologie und des Spiritismus nicht aussparte.[12] Bei seinen Bemühungen, die Neurasthenie als „Phänomen der Entartung“ zu begreifen, beschäftigte sich Heinrich Mann intensiv mit den Axiomen Lombrosos.[13] In dem organizistisch-sozialdarwinistischen Konzept eines atavistischen Bösen amalgamierte Lombroso tendenziell antimoderne Auffassungen mit dem wissenschaftlichen Positivismus zu einer neurobiologischen Degenarationshypothese, die physiognomische und anatomische Stigmata produzierte. Dieses psychopathologische Denken bestätigte die Ressentiments der bürgerlichen Welt gegenüber jedweder Nonkonformität.[14] Die Neurasthenie definierte diese Kriminalätiologie als eine Schwäche und Passivität, den „äußeren Anreizen zur Verbrechensbegehung zu widerstehen.“[15]

In seinem 1898 in Turin eingerichteten „Museum für Psychiatrie und Kriminologie“ erblickten die Besucher die Wachsmasken des „französischen Giftmörders“ und des „italienischen Kinderschänders“. Aus einem Glasgefäß starrte ihnen das zerschnittene Gesicht des Drogenhändlers Fleischmann an; ein abstruses „Horrorkabinett“, zu dem neben Mumien, konservierten Hautfetzen mit Tätowierungen und Fotosammlungen von Freaks, Obdachlosen und Affenmenschen auch diverse Mordutensilien und Mörderschädel gehörten. Das konfuse Sammelsurium diente zur visuellen Darstellung einer Theorie des Zusammenhangs von Delinquenz und evolutionärer Degeneration.[16] Doch anders als zu vermuten, bildete die „makabre[.] fin-de-siècle-Hexenküche“ ein plastisches Fragment innerhalb eines biologistischen Diskurses linker Provenienz. Im persönlichen Umfeld des Sozialisten Lombroso bewegten sich illustre Intellektuelle, darunter die Soziologen Gaetano Mosca, Max Weber und Robert Michels.[17] Von Hartungen blieb von der „Lombroso’schen Welle“ (Karl Jaspers), die das prominente Publikum seines Etablissements erreicht hatte, nicht unberührt. Den geschätzten Kollegen konsultierte er auch persönlich, um ärztlichen Rat einzuholen.[18]

Für Lombroso standen die Anarchisten als phänotypisch für eine Desintegration und den sittlich-moralischen Niedergang des Volkes. In seiner kriminalbiologischen Symptomatologie bildeten Anarchisten eine exemplarische Subvariante. Der somit entpolitisierte und kriminell aufgeladene Anarchismus galt ihm als geradezu phänotypisch für eine gesellschaftliche Desintegration und Degeneration. In dessen kriminalbiologischen Symptomatologie repräsentierten die Anarchisten die Erscheinungsform des geborenen Verbrechers, gleichsam ein „niedriger Rassentypus“, für die er – den eugenischen Vorstellungen folgend – eine strikte Isolation durch Asylierung empfahl, um sie darüber hinaus aufgrund ihres angeblich defizitären Erbgutes an der Fortpflanzung zu hindern.[19]

Anarchismus als organisiertes Verbrechen

Die tödliche Attentat auf Königin Elisabeth von Österreich-Ungarn („Sisi“) durch den italienischen Anarchisten Luigi Lucheni am 9. September 1898 beförderte die polizeilichen Anstrengungen, die Serie der individualanarchistischen Anschläge auf exponierte Potentaten durch eine transnational koordinierte Strategie sowie mittels drastischer Repressionen in den Griff zu bekommen.[20] Im Dezember des Jahres zeigten sich die „monarchistischen Obrigkeitsstaaten in Aktion“, in dem sie eine geheime Diplomatenkonferenz in Rom abhielten, um auf eine internationale Konvention zur Anarchistenbekämpfung hinzuwirken.[21] Man konnte sich auf eine gouvernemental-koordinierte Strategie verständigen, welche die technische Seite der Fahndungsmethoden gegen radikale „Umtriebe“ betrafen: der Erfahrungsaustausch über die Entwicklung anthropometrischer Signalelemente, die Normierung der Personenerfassung sowie die Nutzbarmachung der Kriminalanthropologie. Auf die Befürchtungen vor dem Verlust der nationaler Souveränität ist zurückzuführen, dass man es anstatt koordinierter Repressionsmaßnahmen bei der gegenseitige Berichterstattung beließ.[22] Nachdem die anarchistisch motivierte Gewalt ihren Tribut von König Umberto I. von Italien (Juli 1900) und Präsident McKinley (September 1901) gefordert hatte, reagierten einige Länder mit dem Aufbau von transnational operierenden Spezialeinheiten der Polizei.

In seinem beschaulichen Tiroler Domizil registrierte auch von Hartungen die Ereignisse. Um seiner Empörung ein Forum zu verschaffen lancierte er das Blatt, „Der Anti-Anarchist“, in dem er bereits in dem Rubrum „erscheint monatlich als erstes österreichisches Organ zur Verbreitung der Moralität, Förderung der Humanität und Bekämpfung der größten Barbarei der heutigen Kultur, des systematischen Verbrecherthums „des Anarchismus“, den programmatischen Kurs des Projekts aufzeigte.[23]

Seine wohl eher unfreiwillige Funktion als einziger Redakteur und alleiniger Herausgeber verweist auf das erhebliche persönliche Engagement, welches mit dem Impetus des moralisierenden Aktiv-Bürgertums den niemals rückschreitenden „Weltgeist“ beschwört. Ausdrücklich richtete sich von Hartungen an „die Spitze unserer sittlichen Bewegung“, worunter er jene „Priester, Lehrer, Staats-, Rechts- und Arzneigelehrte, Naturkundige, Techniker, Kunstjünger“ sowie den „Kriegerstand“ subsummierte, die er als „Einheit […] gegen die ärgsten Feinde der heutigen Menschheit“, in der Hauptsache aber „gegen das geheim organisierte, internationale Verbrecherthum, den ‚Anarchismus‘“, zu mobilisieren beabsichtigte. Denn: „Alle äußeren polizeilichen Desinfektionsversuche haben nur eine palliative Bedeutung; alle internationalen Anarchisten-Congresse, welche in diese äußere Form auslaufen, haben einen höchst problematischen Werth, so lange der intelligente Theil des Volkes nicht mitthut und sich nicht die nöthigen Strahlen geistiger Aufklärung behufs sittlicher Orientirung auf die maßgebenden Häupter dieser sittlichen Banquerotteure senken.“[24] Weil aber die Tagespresse die „Eitelkeit dieser unmenschlichen, meist fanatisirten Verbrecherwelt“ noch befördere, müssten auch die Fahndungen der Polizei versagen: „Als minderwerthige Bestandtheile des Volkskörpers sind die Mitglieder der Anarchistengruppen umso schwieriger zu fassen, als ihre Zahl noch beschränkt, ihre geheime Ausbreitung durch alle Kulturstaaten der Welt jedoch sehr bedeutend ist. Wie erfolglos sind aber auch bisher unter solchen Umständen alle äußeren polizeiorganischen Maßnahmen geblieben bei aller Fruchtbarkeit der anarchistischen Complotte und Attentate!“ [25] Zudem ständen „dieselben im organischen Zusammenhange mit den Socialdemokraten, der Internationale und dem Communismus“, seien von daher also Bestandteil der Arbeiterbewegung. Ungeachtet ihrer geringen Quantität garantierten ihre länderübergreifenden Strukturen die Gefährlichkeit der Staatsgegner. Zwar seien die „Regierungen aller Kulturstaaten […] auf diplomatischen Wege, sowie auf Congressen bemüht, durch Gesetze und Erlässe in internationaler Weise eine schärfere Überwachung und Bestrafung der Anarchisten zu veranlassen, um weitere Ausbrüche der verbrecherischen Gewalt zu verhindern und neue Mordanschläge auf gekrönte Häupter zu verhüten“. Darüber hinaus gelte es aber „das Interesse der Öffentlichkeit zu wecken, das Volk selbst zum Verbündeten des Staates zu machen und zur Unterstützung anzurufen durch Einleitung einer anti-anarchistischen Bewegung, Gründung von österreichischen wie deutschen Vereinen für Volksethik, welche von den ethischen Gesellschaften oder ethischen Universitätsfakultäten ausgehend, sich in Zweigvereinen durch das ganze Vaterland uns seine Provinzen ausbreiten sollen.“[26]

Auf das verzweigte Ideengebäude des Anarchismus, sei es Individualanarchismus, der kollektivistische oder kommunistische Anarchismus oder der gewerkschaftliche Anarchismus in Gestalt des Anarcho-Syndikalismus verschwendet von Hartungen keinen Gedanken. Es genügt ihm zu wissen, dass „jene Lehre, welche den gewaltthätigen Umsturz jeder gesellschaftlichen Ordnung bezweckt, jede staatliche wie kirchliche Autorität leugnet, nichts weiter als auf “tabula rasa“ und „Chaos“ abziele.[27] Denn er will nur die „Erscheinung eines wohlorganisirten gemeinen wie fanatischen Verbrecherwesens“ entdecken, „das auf den gewaltigen Umsturz jeder gesellschaftlichen Ordnung, Vernichtung des Eigenthums, den Meuchelmord gekrönter Häupter hinzielt und so die abscheulichsten Auswüchse der Anarchie erzeugt. Revolver-, Bomben- wie Dynamitattentate sind die Losung dieser Kultur der Menschenfeinde“.[28] Aufgrund der humanen Selbsterkenntnis sei „das Paradies der Natur“ verloren, das „Zeitalter des Patriarchenthums, der natürlichen Naivität, der blinden Glaubensautorität, der Reflexion und Sentimentalität“ größtenteils überwunden. Stattdessen befinde man sich „heute im Banne einer blinden Verstandesherrschaft, der Verstandesautorität, des moralischen Nihilismus, des Pessimismus, der Realität des Materialismus“.[29] Verbrecher ständen „durch innere Veranlagung, wie äußere Verhältnisse“ auf einer „niederen Stufe“ der Entwicklung. „Die Hauptursache der Verbrechen liegt daher nur in der Beschaffenheit des angeborenen moralischen Charakters, combiniert mit einer mangelhaften, unzureichenden Erziehung.“[30] Den Richtern obliege die Unterscheidung „zwischen pathologischem und moralischem Stumpfsinn, zwischen körperlicher und sittlicher Bildungsanomalie. […] Gleich den Trinkerasylen müssten Staatsgefängnisse für unheilbar defekte Menschen geschaffen werden […].“[31]

Bei seiner Definition der kriminellen Delinquenz rekurriert von Hartungen auf „Criminalisten, Richter[.], Gerichtsärzte[.]“. Demzufolge regredieren die „meisten Verbrechernaturen […] auf der Stufe thierischer Selbstsucht potenzirt durch natürlichen Scharfsinn“. Dies beträfe den Typus des „einfachen wie qualificirten Verbrechers, des Hochverräters, Majestätsverbrechers, Anarchisten u s. f.“ Jene Kategorie, „deren angeborener, moralischer Stumpfsinn so bedeutend ist“, dass ein nichtvorhandenes „Gewissen“ eine „Zurechnungsfähigkeit“ ausschließe, demnach als „unverbesserlich“ einzustufen sei, dürfe einmal „überführt niemals der Gesellschaft zurückgegeben oder als Raubthiere gegen dieselbe losgelassen, sondern in eigenen Verbrecher-Asylen untergebracht werden.“[32] Der Vorstellungswelt Lombrosos entsprechend sind Anarchisten folglich „bei einseitig-egoistischer Veranlagung mit Verstand und Rednertätigkeit ausgestattet, in ihrer „fanatischen Blendung“ jedoch „unheilbare Verbrecher“, „ja staatsgefährlich. […] Anarchisten dieser Kategorie sollten aus allen Kulturstaaten ausgewiesen, auf internationalen Inseln unter dauernde Überwachung gebracht werden.“ Gnade findet dagegen die Delinquenz der zweiten Kategorie des Verbrechertypus, nämlich „jene, bei welchen durch unzureichende Erziehung, mangelhafte ethische Ausbildung das Gefühl der Wahrheitsliebe, der Gerechtigkeit, Menschenliebe und Selbstachtung nicht genügend geweckt und entwickelt wurde“, die sich demzufolge „nur in Folge äußerer Bedrängnis und Noth oder aus dem ungezügelten Triebe sinnlicher Genusssucht […] an dem Eigenthum oder der Person ihres Nächsten durch Lüge, Betrug, Diebstahl, Raub, Unzucht oder Mord“ vergangen hätten. Deshalb ständen diese Gelegenheitstäter „weit hinter der Elite der früher Erwähnten Verbrecherwelt“ zurück.“[33]

Das „systemisirte[.] Verbrecherthum des Anarchismus“ klassifiziert von Hartungen als „eine fanatisierte Gruppe von Kämpfern gegen alles bestehende, gegen die herrschende gesellschaftliche Ordnung, ganz besonders aber gegen den Massenreichthum und die höchste Vertretung des Staates als dem ‚ich‘ des politischen Selbstbewusstseins“.[34] Insofern müsse der Anarchist als ein „niedere[r] Verstandesmensch“ gelten, der als paradigmatisch für die drohende „Auflösung der Gesellschaft“ steht.[35]

Da aber die „erhabene Kaiserin“ einem Anschlag „durch so eine verruchte Kreatur“ zum Opfer gefallen sei und sich darüber in Österreich kaum „Gegenwehr“ gezeigt habe, empfiehlt von Hartungen organisierte Reaktionsformen. Nach dem Vorbild des nach dem Attentat auf den US-Präsidenten in San Diego, Kalifornien gebildeten Anti-Anarchist League mit 100 Mitgliedern, sollte ein ebensolcher „Antianarchistenvereins“ zunächst für Österreich gegründet werden.[36] In diesem Sinne wirbt das dazu aufgelegte Organ „Anti-Anarchist“ für die „Constituirung und Organisirung einer Liga, welche als Zweigverein der ethischen Gesellschaft in allen Theilen Oesterreichs, wie im Auslande Anklang und Anhang finden muss.“[37]

Lebensreform oder Sozialreform

Doch nicht nur der Anarchismus, sondern die nichts weniger als die „Massenbewegung der gesammten Arbeiterschaft, welche man gemeinhin den modernen Socialismus nennt“, müsse als „der Todfeind der Gesellschaft, der furchtbare Gegner des heutigen Staates“ bezeichnet werden, weil das „unmündige[.], unpersönliche[n] Volke […] von eigennützigen Strebern oder einseitig verblendeten Verstandesnaturen“ gegen die „herrschende[.] Gesellschaftsverfassung“ aufgewiegelt wird: „Diese Volksführer, diese falschen Propheten“ trieben ihr „hinterlistiges Spiel entweder „in einer Selbsttäuschung oder absichtlich“. Solche „Demagogen“ erkennt von Hartungen namentlich in „Saint Simon, Ch. Fourier, L. Blanc, F. Lassalle, K. Marx“, weil ihre „moderne Wirthschaftstheorie“ auf einem „dunklen, instinctiven Gefühl der Massen“ beruhe, der „modernen Gesetzgebung“ jedoch keinen „Uebergang“ biete.[38] Doch müsse den “frivolen Versprechungen der heutigen Arbeiterführer[.]“ eine entschiedene Absage erteilt werden, wenn diese „eine maßlose Kürzung der Arbeitszeit“ anstreben oder „dem Trug- und Traumbild eines ewigen Friedens“ nachjagen, denn „Gesundheit und einige Stunden täglicher Erholung sind die wahren Vorbedingungen für die Lebensfreudigkeit des Arbeiters. Es ist verkehrt auf ein Arbeitsminimum hinzudringen und warum sollte die größte Wohlthäterin der Menschheit, die Arbeit, nicht den besitzenden wie besitzlosen Kräften in gleicher Berechtigung zu Theil werden.“[39] Darüber hinaus könne das Gleichheitsprinzip aber keine Geltung erlangen, „da es immer Menschen geben wird, welche durch das Talent oder Verdienst dazu bestimmt sind, sich den höheren Arbeiten der Kultur in einer gewissen Unabhängigkeit sorglos hinzugeben. Die unentgeltliche, gleichartige Erziehung Aller führt uns daher direkt zu der rohesten Unterdrückung aller Begabten auf eine allgemeine Stufe der Mittelmäßigkeit.“[40]

Was in den 1870er Jahren als „conservativer Staatssocialismus auftrat“, hätte bei Louis Blanc bereits „die Form der blinden Massengewalt“ angenommen. Schließlich besäße selbst das „ökonomisch-socialistische Programm einen scharf radikalen und politischen Charakter“. Dies habe „den Staat zu einem energischen Vorgehen“ veranlasst, wäre doch „die radikalste Richtung der Socialdemokratie aber durch die Anarchisten vertreten, die ohne ein sociales Programm einfach den sofortigen Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung mit allen Mitteln der Gewalt, Beseitigung der Gegner durch Mord u. s. w. anstreben.“[41]

Von Hartungens sittliche Medikation ist die der „moralischen Hygiene“, seine politischen Deduktionen folgen hingegen pragmatischen Überlegungen. „Nur durch die ethische Durchbildung des Volkes, durch das erreichte sittliche Selbstbewusstsein desselben kann der heutige Socialismus in Formen geleitet werden, die der Gesellschaft wie dem Staate keine Gefahren durch gewaltige Umsturzversuche bringen, sondern sittlich begründete Forderungen der Arbeiterkongresse in der Weise einer friedlichen Evolution oder Auswicklung erfüllen werden.“[42] Kann von Hartungen die „Arbeiterbewegung“ als sozialen Faktor nicht ignorieren, stützt der die kritischen Einwände der Vordenker des ethischen Sozialismus (z. B. die der britischen „Independent Labour Party“), die den „muncipalen Socialismus“ als „Benutzung der politischen Macht zur Plünderung der öffentlichen Gelder“ anklagen. Um das „höchste Ideal der Arbeiterbewegung in den Herzen des arbeitenden Volkes wirklich Wurzel fassen“ könne, fehle es der „Geistesaristrokratie“ einer „Propaganda, die nicht bloß von Rechten, sondern auch von Pflichten spricht. […] Die Versittlichung der socialistischen Propaganda sollte die wahre, eigentliche Realpolitik der Massen und das fundamentale Klasseninteresse der gesammten Arbeiterschaft werden.“[43] Diese bewusstseinsbildende Aufgabe könne nur eine „vaterländische Arbeiterpartei“ gewährleisten, die „der durch und durch unsittlichen Socialdemokratie Stand hielte.“[44]

Damit reiht sich von Hartungen ein in die individuell-genetisch orientierte Naturheilbewegung bei den bürgerlichen Lebensreformern, die auf einen neuen Menschen als Medium einer Leiblichkeit abstellte, um eine kollektive Erlösung von physischen und psychischen Zivilisationskrankheiten zu erstreben.[45] Insoweit eine säkularisierte Heilslehre, die eine dialektische Abfolge von Paradies – Sündenfall – Erlösung erwartet. Als „Evangelikum des neuen Lebens“ versprach sie sich nicht allzuviel von der Politik, nicht einmal vom Klerus und schon gar nicht von revolutionären Anwandlungen. Mit aller Vehemenz setzte man hingegen auf individuelle Erweckungsprozesse und Gruppenhandeln im hier und jetzt.[46]

Die auf naturgemäße Lebens- und Heilweisen basierende Sozialhygiene könne dem entarteten Zivilisationsmenschen die Rückkehr in eine harmonischen Gesellschaft ermöglichen. Dazu solle nicht an Symptomen kuriert werden, sondern der ganze Mensch in den Vordergrund gesetzt werden (Stichwort „Ganzheitsmedizin). Insoweit ergänzte die eugenische Hygienebewegung die Darwinsche Vererbungslehre durch die Milieutheorie. Krankheiten betrachtete die Naturheilkunde vor allem als die Folge schlechter Umweltbedingungen. Zur Überwindung dieser negativen Einflüsse forderte sie eine Kultur der Selbstbeherrschung und Eigenverantwortlichkeit. In der Folge hypostasierte sie die „Hygiene als eine Leitdisziplin der sozialen Bildung“.[47] Ihr Gegenkonzept folgt den Prämissen der sozialhygienischen Naturheilkunde. Denn es appelliert an alle „besseren, edleren Theile der Gesellschaft“, die „dem ungebildeten Theile der arbeitenden Menschheit jeder Kategorie“ gegenübersteht. Der wegen der „moralischen Unmündigkeit“ bedingte allgemeine Mangel an „Gemeinsinn“ soll die „Charakterbildung“ des Individuums aufheben. Dazu bedarf es einer „bitteren Höllenfahrt der Selbsterkenntnis, um ein ganzer Mensch zu werden.“ Eine „Erziehungsreform für Schule und Haus“ müsse in eine öffentliche[.] Gesundheitspflege“ münden, die „Reinlichkeit, Mäßigkeit, Fleiß und Einfachheit“ als der „einzige Schlüssel zur Lösung der socialen Frage“ empfiehlt.[48] „Ein erbärmlicher Sklave seiner Sinnlichkeit“ geworden, solle „der einzelne Mensch die Herrschaft über sich“ erringen. Von Hartungen folgend solle dazu eine „sittlich-hygienische Erziehung“[49] dienen, um in „den härtesten Kämpfen mit rohgewaltigen Trieben seiner Sinnlichkeit“ zu bestehen: „Der Gesundheitslehre muss ein Katechismus wahren Menschenthums – ein Volks-Katechismus folgen, der die Grundsätze der Sitten-, Pflichten-, Tugend- und Rechtslehren enthält.“[50]

„Höhere Menschentypen“ der gesellschaftlichen Elite („Führer, Propheten, Gesetzgeber“) ständen aber der unmündigen Masse des Volkes gegenüber: „Die Staatsoberhäupter oder deren Vertreter, die sich zu wahrer Eigenmündigkeit erhoben haben, sind vor Allem berufen, das arme, unglückliche Volk in ethischen Bahnen zu lenken, d. h. im guten Sinne zu refomiren, zur Selbsterkenntnis zu bringen, aufzuklären.“[51] Ungeachtet dieser hehren Vorgaben blieb die elitäre Hygienebewegung eine Vereinigung respektabler Bürger, welche die betroffenen Unterschichten mit ihren moralischen Appellen nicht erreichte.[52]

Philosophie und Wissenschaft zur Aussonderung

Von Hartungens Erkenntnistheorie verdankt ihre wesentlichen Befunde der pessimistischen Metaphysik Arthur Schopenhauers. Ebenso wie der Vernunftkritiker und aufgeklärte Monarchist preist der naturheilbewegte Lebensreformer einer von Erlösungsverlangen getragenen Willensethik. Nur die subjektive Selbsterkenntnis vermag dem dunklen Willen, den Schopenhauer auf die ganze Natur ausdehnt, die auch den Menschen bestimmt, vor die Auslieferung an die Triebe zu bewahren. Aus der Retrospektive erscheint der von Hartungen als educated fool, wenn er „die Bestimmung des Arztes [als] das Priesterthum der Zukunft“ erblickt. Und wenn er den „berufenen Heilkünstler“ oder den „Eklektiker“ der Praxis idealisiert, offenbart er sich als esoterisch gesinnter Heilsbringer, der auf „Diätik, Hydriatik“ oder auch „Suggestion, Magnetismus, Homöopathie, Rademacher[53], Blut- und Organheilkunde“ schwört und sich dadurch vom „ärztlichen[n] Pöbel“ abheben möchte.[54]

Der Wirkungsfeld seiner antianarchistischen Initiative blieb insgesamt auf einen „ziemlich engen Kreis“ beschränkt, in dem das Publikationsorgan „Anti-Anarchist“ als das Medium eines „Freundesgespräches“ fungierte, um den Einfluss anarchistischer Positionen, also deren „eigene Ansichten über die herrschenden Zeitverhältnisse“ entgegenzuwirken. Die Mission, „unseren thierischen Trieben, der Erbsünde, dem Reiche des ursprünglich Bösen“, insbesondere „aber das Böse in den Formen des Anarchismus aus dem Lager des großen Städtelebens und modernen Weltgetriebes“ mit einer „Uebersetzung des idealen Wissens“ zu begegnen, sollte sich demgegenüber letztlich als „schwer und wenig erfolgreich erweisen.[55] Als Exponent des „höheren Typus Mensch“ müsse, so lamentiert er, fühle man sich gar verunglimpft, denn „Anarchisten, und die heute so mächtigen Socialisten […] blicken in ihrer exalttirten Aufgeblasenheit mitleidig oder vornehm lächelnd auf so Gesinnte herab.“[56] Und so möchte es von Hartungen als verkannter Gesinnungsethiker jenen „ersten Christen“ gleichtun, die ihre reine Lehre als religiöse Sekte in gesinnungsethischer Abgeschiedenheit kultivierten: „Wir gewinnen und erreichen unser Ziel umso sicherer, wenn unsere kleine Gemeinde nicht die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht, sondern scheinbar unbedeutend bei äußerer Ruhe und Sicherheit ihren Zwecken lebt“.[57] Das ambitionierte Ziel, die Initiative als überregionale, ja transnationale Filiale einer anti-anarchistischen Bürgerwehr auszugestalten, misslang bereits im Anfangsstadium.

Von Hartungens Alternative ist die des patriotischen status quo. Sein Ideal ist der „geistige Adel des Herrschers“,[58] das der unverbrüchlichen Institution der Ehe,[59] die „wahre Gottes- und Weisheitslehre“ der Priesterschaft.[60] Alle animalischen Triebe könne keine Kunst sublimieren, die „zu einer niederen Form des Naturalismus“ herabgesunken sei.[61] Zu diesem Kulturpessimismus gesellten sich deutschnational motivierte Invektiven gegen „die reichthumsfeindliche Tendenz des Christentums“, wie sie der literarische Radauantisemit Max Bewer anstimmte.[62] In Christoph von Hartungens Lebensreformgedanken artikuliert sich eine Politik der Verzweiflung an der Kultur (Fritz Stern), die ihre Entfremdungsgefühle durch einen Mystizismus, Körperkult und elitärer Gesinnungsethik zu kompensieren versucht. Der Anarchismus nimmt dabei die Rolle eines dämonischen Gegenbilds ein, welches mit dem Autoritätsglauben, dem Patriotismus und der humanistisch gesinnten Ethik kontrastiert. Das Ideensubstrat enthält keine sozialen Komponenten, die verordneten Rezeptur: harte Arbeit für die einen und kontemplative Selbsterkenntnis für die anderen, konnten bestenfalls weltfremd oder „reaktionär“ erscheinen. Für die sozio-ökonomischen Genese jenes Arbeiteranarchismus, der in der Tat enge Wechselbeziehungen zur Sozialdemokratie aufwies und sich daraus als autonomer Sezessionsstrang herausbildete, fehlte es von Hartungen sicher an Kenntnis, aber wohl auch, was indessen schwerer wiegt, vor allem an Verständnis.[63]

In seiner komplexitätreduzierten Symbiose werden aus Anarchisten kriminelle Überzeugungstäter. Dadurch werden sie nicht nur zu „Staatsbürgern zweiter Klasse“ degradiert, sondern von ihm mit letzter Konsequenz aus der menschlichen Spezies exkludiert. „Das Volk sollte als moralisches Subjekt koordiniert werden und musste folglich von der Delinquenz gesäubert werden.“[64] Für sein prominenten Literatenpublikum besaß von Hartungens konservativ-elitäre Lebensreformidee keine Attraktivität. Jedenfalls hat sich keinerlei erkennbare Mitarbeit oder Anteilnahme in „Der Anti-Anarchist“ niedergeschlagen. In der Oktoberausgabe wird zwar die November/Dezember-Doppelnummer angekündigt, doch vermutlich verließ den einzigen Betreiber des Egoprojekts die Energie, um dieses noch weiter realisieren zu können.

Das Fazit dieser Fußnote der bürgerlichen Lebensreformbewegung muss also zwiespältig ausfallen. Von Hartungen verbindet Elemente der anthropologischen Degenerationstheorie der Kriminalbiologisten, die lebensreformerische Heilkunde mit der Moralphilosophie Kants und will im Sinne Schopenhauers durch die „Offenbarung des Geistes“ den „causalen Zusammenhang, die Continuität des natürlichen Geschehens“ durchbrechen.[65] Tatsächlich vermag er jedoch keine Substanz für ein originäres Gedankengebäude hervorzubringen. Die Vermengung von naturwissenschaftlich-medizinischer Eugenik mit Spiritualismus und Philosophie, die von Hartungen im Duktus des personifizierten Weltgewissen zu verbreiten suchte, fand offenbar weder Anklang unter seinen prominenten Gästen, noch ist darüber hinaus eine Resonanz registrierbar. Ein Standesdünkel, das soziale Privilegien als quasi natürliches, ererbtes Vorrecht erachtet, bildet indessen die mentalen Voraussetzungen für subjektiv-elitäre Bewusstseinslagen: „Der Rassismus der Intelligenz [...] ist das, was den Herrschenden das Gefühl gibt, in ihrer Existenz [...] gerechtfertigt zu sein; das Gefühl, Wesen höherer Art zu sein.“[66] Und seine Vorstellungen fundieren das Konstrukt des „Untermenschen“, wie es sich ins 20. Jahrhundert fortsetzte.[67] Insofern steht von Hartungen, der am 15. April 1917 in Terlan (bei Meran)verstarb, in der Kontinuität der seinerzeit in seiner rigorosen Konsequenz der angewendeten Zwangsmaßnahmen nicht voraussehbaren kontextuellen Verantwortung.

Fußnoten

[1] Fritz D. Schroers, Lexikon deutschsprachiger Homöopathen, Stuttgart 2006, S. 54.

[2] Werke: Über virale Schwäche und deren Heilbarkeit auf inductivem Wege, Wien 1884; Die Hygiene der Krankenpflege, Wien 1891; Handbuch der klimatischen Heilkunde; Die Medizin, die Naturheilweise und das Volk, Reichenberg 1893.

[3] Vgl. Christoph Jahr, Deutsche Pathologie. Eine Studie über „das nervöse Zeitalter“, in: Neue Zürcher Zeitung v. 31.7.1998, S. 62. Zur Kultur- und Sozialgeschichte des Phänomens vgl. explizit: Joachim Radkau, Das Zeitalter der Nervosität. Deutschland zwischen Bismarck und Hitler, München 1998.

[4] Christian Virchow, Das Sanatorium als Lebensform. Über einschlägige Erfahrungen Thomas Manns, in: Thomas-Mann-Studien 26. Bd.: Literatur und Krankheit im Fin-de Siècle (1870 – 1914), Frankfurt/M. 2002, S. 171-197.

[5] Ebd., S. 185ff.

[6] Reiner Stach, Kafka. Die Jahre der Entscheidungen, Frankfurt a. M. 2002, S. 420.

[7] Peter-André Alt, Franz Kafka. Der ewige Sohn, München 2008 (2. Aufl.), S. 297.

[8] Thomas Rütten, Krankheit und Genie. Annäherung an Frühformen einer Mannschen Denkfigur, in: Thomas-Mann-Studien 26. Bd.: Literatur und Krankheit im Fin-de Siécle (1870 – 1914), Frankfurt a. M. 2002, S. 131-170, 145.

[9] Heinrich Lehnert, Weibliches. Männliches und Väterliches als Ausdruck des Bruderzwistes, in: Thomas-Mann-Jahrbuch 5 (1992), S. 25-41, 40f.

[10] Heinrich Mann, Die Göttinnen oder Die drei Romane der Herzogin von Assy, München 1903, S. 961. Vgl. dazu auch Helga Winter, Naturwissenschaft und Ästhetik. Untersuchungen zum Frühwerk Heinrich Manns, Würzburg 1994, S. 122ff. (zgl. Univ.-Diss. München 1992).

[11] Heinz J. Armbrust/Gert Heine, Wer ist wer im Leben vom Thomas Mann?, Frankfurt a. M. 2008, S. 99.

[12]Jutta Person, Physiognomik, Atavismustheorien und Kulturkritik 1870 – 1930, Würzburg 2005, S. 59 (zgl. Univ.-Diss. Köln). Hans Wyhsling, Narzissmus und illusionäre Existenzform. Zu den Bekenntnissen des Hochstaplers Felix Krull (= Thomas-Mann-Studien; Bd. 5), Frankfurt a. M. 1995 (2. Aufl.), S. 26f.

[13] Helga Winter, Naturwissenschaft und Ästhetik (wie FN 10), S. 32f. Zitat: S. 128.

[14] Susanne Hilken/Matthias Bormuth/Michael Schmidt-Degenhard, Psychiatrische Anfänge der Pathographie, in: Matthias Bormuth/Klaus Podoll/Carsten Spitzer (Hg.), Kunst und Krankheit. Studien zur Pathographie, Göttingen 2007, S. 11-26, 13f.

[15] Mariacarla Gadebusch Bondio, Vom „atavistischen“ zum „minderwertigen“ Verbrechertypus. Cesaro Lombroso, der Geborene Verbrecher und die deutsche Psychiatrie, in: Jahrbuch Juristische Zeitgeschichte 8 (2006/2008), S. 280-304, 301.

[16] Susanne Regner, Metaphysik des Bösen: Zur Anschauungspraxis von Kriminalmuseen, in: Heidrun Kaupen-Haas/Christian Saller (Hg.), Wissenschaftlicher Rassismus. Analysen einer Kontinuität in den Human- und Naturwissenschaften, Frankfurt. a.M. 1999, S. 304-318, bes. S. 306ff.

[17] Timm Genett, Der Fremde im Kriege. Zur politischen Theorie und Biographie von Robert Michels, Berlin 2008, S. 178ff.

[18] Albino Tonelli, Ai confini della Mitteleuropea: il Sanatorium von Hartungen di Riva del Garda: dai fratelli Mann a Kafka gli ospiti della cultura europea, Riva del Garda 1995, S. 16, 99 u. 343.

[19] Cesare Lombroso, Die Anarchisten. Eine Kriminal-psychologische und sociologische Studie, Hamburg 1895. Vgl. dazu u. a. Wolfgang Wippermann, Rassenwahn und Teufelsglaube, Berlin 2005, S. 45f.; Mariacarla Gadebusch Bondio, Die Rezeption der kriminalanthropologischen Theorien von Cesare Lombroso in Deutschland von 1880-1914, Husum 1995; Martin Stingelin, Der Verbrecher ohnegleichen. Die Konstruktion ‚anschaulicher Evidenz‘ in der Criminal-Psychologie, der forensischen Physiognomik, der Kriminalanthropometrie und der Kriminalanthropologie, in: Wolfram Groddeck/Ulrich Stadler (Hg.), Physiognomie und Pathognomie. Zur literarischen Darstellung von Individualität. Festschrift für Karl Pestalozzi zum 65. Geburtstag, Berlin/New York 1994, S. 113-133, 129; Peter Becker, Verderbnis und Entartung. Eine Geschichte der Kriminologie des 19. Jahrhunderts als Diskurs und Praxis, Göttingen 2002, S. 291ff.; Silviana Galassi, Kriminologie im deutschen Kaiserreich. Geschichte einer gebrochenen Verwissenschaftlichung, Wiesbaden 2004, S. 142ff.

[20] Vgl. Maria Matray/Answald Krüger, Das Attentat. Der Tod der Kaiserin Elisabeth und die Tat des Anarchisten Lucheni, München 2000.

[21] Ulrich Linse, Organisierter Anarchismus im Deutschen Kaiserreich von 1871, Berlin 1969, S. 26.

[22] Madeleine Herren, Hintertüren zur Macht. Internationalismus und modernisierungsorientierte Außenpolitik in Belgien, der Schweiz und den USA 1865-1914, Oldenburg 2000, S. 267ff. (zgl. Univ.-Habil.-Schr. Basel 1997); Richard Bach Jensen, The international Anti-Anarchist Conference of 1889 and the Origins of Interpol, in: Journal of Contemporary History 16 (1981), S. 323-347; ders., The International Campaign Against Anarchist Terrorism, 1880-1930s, in: Terrorism and Political Violence 21 (2009), No.1, S. 89-109; The United States, International Policing and the War against Anarchist Terrorism, 1900–1914, in: Terrorism and Political Violence 13 (2001), Nr. 1, S. 15-46.

[23] Albino Tonelli, Ai confini della Mitteleuropea (wie FN 18), S. 79ff.

[24] An unsere Denker!, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Januar, [S. 1].

[25] Ebd., [S. 1].

[26] Der Anarchismus, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Januar, [S. 2].

[27] Ebd.

[28] Dr. Christoph v. Hartungen, Ueber den Ausgang und die Bestimmung der heutigen Gesellschaft, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Februar, [S. 1].

[29] Ebd.

[30] Erziehung und Verbrechen, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. April, [S. 1].

[31] Dr. Christoph v. Hartungen, Ueber den Ausgang und die Bestimmung der heutigen Gesellschaft, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Februar, [S. 3].

[32] Ebd.

[33] Erziehung und Verbrechen, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. April, [S. 2].

[34] Dr. Christoph v. Hartungen, Ueber den Ausgang und die Bestimmung der heutigen Gesellschaft, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Februar, [S. 3].

[35] Ebd.

[36] Ebd., [S. 4]. Die „Anti-Anarchist League“ hat in der wissenschaftlichen Literatur offenbar keine Spuren hinterlassen. Sie kann als frühe Form jener vigilantes-Gruppen gelten, deren lokale Anführer aus Geschäftsleuten, Freiberuflern und Kaufleuten bestanden. 1905/06 zählte die Assoziation 200 Mitglieder. John P. Mains/Louis Philippe McCarty (Hg.), The Statistician and Economist 23 (1906), S. 283.

[37] Dr. Christoph v. Hartungen, Ueber den Ausgang und die Bestimmung der heutigen Gesellschaft (Schluss), in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. März, [S. 1].

[38] Der hohle Socialismus der Gegenwart und seine Gefahren für Gesellschaft wie Staat, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. März, [S. 1].

[39] Ebd., [S. 3].

[40] Ebd., [S. 2].

[41] Ebd.

[42] Ebd., [S. 3].

[43] Ebd.

[44] Ebd., [S. 4].

[45] Eva Barlösius, Naturgemäße Lebensführung. Zur Geschichte der Lebensreform um die Jahrhundertwende, Frankfurt a. M./New York 1997, S. 74ff.

[46] Ehrenhard Skiera, Reformpädagogik in Geschichte und Gegenwart in Geschichte und Gegenwart. Eine kritische Einführung, München 2010 (2. Aufl.), S. 80ff. Vgl. auch Wolfgang R. Krabbe, Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform. Strukturmerkmale einer sozialreformerischen Bewegung im Deutschland der Industrialisierungsperiode, Göttingen 1974; Cornelia Regin: Selbsthilfe und Gesundheitspolitik. Die Naturheilbewegung im Kaiserreich (1889 bis 1914), Stuttgart 1995; Marie-Paule Jungblut (Hg.), Sei sauber …! Eine Geschichte der Hygiene und öffentlichen Gesundheitsvorsorge in Europa, Köln 2004.

[47] Iris Schröder, Arbeiten für eine besseren Welt. Frauenbewegung und Sozialreform 1890-1914, Frankfurt a. M. 2001, S. 264.

[48] Die sociale Frage, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Januar, [S. 2].

[49] Ebd., [S. 2f.].

[50] Erkenne dich selbst!, Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Januar, [S. 3].

[51] Ebd.

[52] Karl Heinz Mentz, Industrialisierung und Sozialpolitik. Das Problem der sozialen Sicherheit in Großbritannien 1795 – 1911, Göttingen/Zürich 1988, S. 165ff.

[53] Dr. med. Johann Gottfried Rademacher (4.8.1772 – 9.2.1850), Arzt und Naturheilkundler, der die „Erfahrungsheillehre“ begründete.

[54] Dr. Christoph v. Hartungen, Die Bestimmung des Arztes, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Mai, [S. 2f.].

[55] Der Kampf gegen den Anarchismus, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Juli, [S. 1].

[56] Ebd., [S. 1f.].

[57] Ebd., [S. 2].

[58] Die Aufgaben und Bestimmung des Herrschers, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. August, [S. 1].

[59] Die Ehe, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Juni, [S. 4].

[60] Der Mann der Offenbarung – Die Bestimmung des Priesters, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. August, [S. 1-3].

[61] Kopf und Herz, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. October, [S. 1f.].

[62] Max Bewer, War Christus Sozialdemokrat?, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. October, [S. 3.]. Der freie Schriftsteller Max Bewer (19.1.186113.10.1921) war einer der Meinungsführer der deutsch-völkischen Bewegung. Er verband seit 1890 einen religiösen mit einem rassistischen Antisemitismus, der vor der Verbreitung der Ritualmordlegende nicht zurückscheute und letztlich unverhohlen zu antijüdischen Pogromen aufrief. Vgl. Rainer Lächle, Germanisierung des Christentums – Heroisierung Christi. Arthur Bonus, Max Bewer, Julius Bode, in: Stefanie von Schnurbein/Justus H. Ulbricht (Hg.), Völkische Religion und Krisen der Moderne. Entwürfe „arteigener“ Glaubenssysteme seit der Jahrhundertwende. Würzburg 2001, S. 165-183.Thomas Gräfe: Zwischen katholischem und völkischem Antisemitismus. Die Bücher, Broschüren und Bilderbogen des Schriftstellers Max Bewer (1861- 1921), in: Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 34 (2009), H. 2, S. 121-156.

[63] Vgl. Ulrich Linse, Organisierter Anarchismus (wie FN 21), S. 67ff.; Gerhard Botz/Gerfried Brandstetter/Michael Pollak, Im Schatten der Arbeiterbewegung. Zur Geschichte des Anarchismus in Österreich und Deutschland, Wien 1977.

[64] Andreas Graf, Die politische Polizei und die Verfolgung des deutschen Anarchismus (1898 bis 1914), in: Bernd Florath/ Armin Mitter/Stefan Wolle (Hg.), Die Ohnmacht der Allmächtigen. Geheimdienste und politische Polizei in der modernen Gesellschaft, Berlin 1992, S. 36-45, 43.

[65] Das Wunder – der Zufall, in: Der Anti-Anarchist 1 (1902) v. Juli, [S. 3].

[66] Pierre Bourdieu, Der Rassismus der Intelligenz, in: ders., Soziologische Fragen, Frankfurt a. M. 1993, S. 252-256, 252f.

[67] Michael Schwartz, Kriminalbiologie in der Politik der 20er Jahre, in: Juristische Zeitgeschichte 6 (1997), S. 13-68.