Fachverein für sämtliche Berufsgruppen von Groß Ottersleben und Umgegend

Gründung: 28.11.1884

Gründungsvorsitzender: Tischler Heinrich Veelmann

Mitgliedschaft: ca. 200 Arbeiter (Mitte 1885), darunter: Tischler Heinrich Veelmann, Groß Ottersleben (Gründungsvorsitzender, später Schriftführer); Arbeiter Friedrich Jensch, Lemsdorf (Gründungsmitglied, Zweiter Vorsitzender, Referent); Steinsetzermeister August Hoppe (Senior), Groß Ottersleben (Gründungsmitglied, Kassierer); August Hoppe (Junior), Groß Ottersleben; Eisendreher Christian Reichardt, Groß Ottersleben (Gründungsmitglied, Schriftführer bis 1.3.1885); Maschinenbauer Max Sendig, Groß Ottersleben, (Schriftführer ab 1.3.1885, ab 8.2.1885 Lokalverwalter); Albrecht (Kassierer); Adolf Huthmann, Groß Ottersleben, Friedrichstr. (Kassierer); Schlosser Friedrich Köster (Mitglied seit August 1885); August Hucke, Benneckenbeck; Arbeiter Albert Müller; Vollmering, Groß Ottersleben; Schadenberg, Lemsdorf; Maurer Hoppe, Klein Ottersleben

Der Fachverein war der gewerkschaftliche Zentralverein für Groß Ottersleben und Umgebung. Er war ein Sammelbecken der dortigen Sozialdemokraten und Anarchisten. Der Verein strebte ursprünglich den Anschluss an die „Vereinigung der Metallarbeiter Deutschlands“ an, gab dieses Ansinnen aber wegen vereinsrechtlicher Gründe wieder auf. Der Verein stand von Gründung an unter intensivster Beobachtung der politischen Polizei als auch unter dem Druck der örtlichen Oberschicht.

Anfang 1885 wurde in der Breiten Straße Nr. 7 (heute Altottersleben Nr. 7) ein Hausgrundstück erworben und dort ein Vereinslokal eingerichtet, wo beinahe täglich Versammlungen stattfanden, bei denen auch mehrfach auswärtige Redner auftraten.

Das Lokal wurde von dem ideellen Leiter des Vereins, dem aus Berlin ausgewiesenen Sozialdemokraten Max Sendig geleitet. Als es im Juni 1885 anlässlich einer Versammlung des Fachvereins zu Ausschreitungen und Auseinandersetzungen mit der örtlichen Polizei kam, wurden mehrere Mitglieder verhaftet, wodurch die Vereinsaktivitäten fast zum Erliegen gekommen sind. Sendig entzog sich der absehbaren Strafverfolgung durch Emigration in die USA. Kurz darauf übernahm der aus Hannover nach hier verzogene Schlosser Fritz Köster die Leitung des Vereins. Unter seiner Regie intensivierten sich wieder die Aktivitäten des Vereins, ebenso die Kontakte zu den in Magdeburg tätigen Sozialisten und Anarchisten. Anfang 1886 wurde eine erfolgreiche Kampagne für den Massenaustritt aus der Landeskirche durchgeführt.

Mit der Repressionswelle 1886/87 wurde schließlich auch der Fachverein zerschlagen. Nachdem Köster im Sommer 1886 zu drei Monaten Gefängnis wegen Beleidigung verurteilt worden war, sind im Gefolge des Anarchistenprozesses im Frühjahr 1887 zahlreiche weitere Mitglieder des Vereins – darunter abermals Köster – zu bis zu anderthalbjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Damit kam die Vereinsarbeit zum Erliegen, der Verein war somit faktisch aufgelöst.

Quellen:

Landeshauptarchiv Sachsen-Anhalt Magdeburg, Rep C 30 Wanzleben A (alt) III Polizeisachen Nr. 40 Fachverein Groß Ottersleben

Birk, Gerhard: Zur Entwicklung des regionalen Vereinswesens, unter besonderer Berücksichtigung des Kreises Wanzleben. In: Hans-Jürgen Rach, Bernhard Weissel (Hg.): Bauer und Landarbeiter im Kapitalismus in der Magdeburger Börde. Zur Geschichte des dörflichen Alltags vom Ausgang des 18. Jahrhunderts bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Berlin 1982