Deutscher Seemannsbund / Deutscher Schiffahrtsbund

Der seit Ende 1918 bestehende Internationale Seemannsbund (ab Frühjahr 1919: Deutscher Seemannsbund, DSB) war Teil der breit gefächerten Rätebewegung in Deutschland. Die Mitgliedschaft des DSB bestand zunächst aus meist arbeitslosen, zuvor aus der Kriegsmarine entlassenen Matrosen, sowie Zivilangehörigen der hauptsächlich in Wilhelmshaven stationierten Minensuchverbände. Die regionalen Aktivisten stellten vormalige Funktionäre des 1913 gegründeten Syndikalistischen Industrieverbands – Gruppe Transportarbeiter, einzelne Vertreter der ehemals in Hamburg ansässigen deutschen Außenstelle der englischen Seeleutegewerkschaft NSFU, sowie Wortführer der revolutionären Matrosen der Kriegsmarine. Der DSB war die einzige syndikalistische Berufsorganisation in Deutschland, deren Stärke (18 bis 20.000 Mitgliedern im Sommer 1919) einen freigewerkschaftlichen Konkurrenzverband numerisch überstieg. Zunächst zur Allgemeinen Arbiter Union (AAU) tendierend, schloss sich der DSB Anfang 1920 (mit Ausnahme Bremerhavens, wo sich 2.000 Mitglieder in der AAU Sektion Fischerei/Seeleute organisierten) der anarchosyndikalistischen FAUD an. Im September 1920 trat eine radikalisierte Minderheit des Berufsverbands der Kapitäne und Schiffsoffiziere dem DSB bei und bildete mit diesem eine seemännische Einheitsorganisation („Deutscher Schiffahrtsbund“). Die dominante, der KPD nahe stehende Leitung der mitgliederstärksten Ortsgruppe des DSB in Hamburg konnte sich im Mai 1922 durchsetzen, indem sie die Trennung von der FAUD und den Beitritt in die Rote Gewerkschafts-Internationale (RGI) vollzog. Der auf Fraktionsarbeit abstellende Gewerkschaftspolitik der KPD folgend, verschmolz der DSB am 1. Januar 1926 mit der Seeleutesektion des Deutschen Verkehrsbundes. Etwa 1.000 Seeleute und Hafenarbeiter in Stettin hatten zuvor gegen die KPD-Politik im DSB opponiert und eine „Internationale Seeemannsunion“ ins Leben gerufen, die Ende 1923, mit einigen weiteren lokalen Gruppen an der Nord- und Ostseeküste, eine Sektion der IWW bildeten. (Hartmut Rübner)