Sozialdemokratische Versammlung in Buckau

Magdeburgische Zeitung Nr. 379, 30. Juli 1891

Dienstagabend fand im „Choreum“ eine von mehreren Hundert Personen besuchte sog. Volksversammlung statt, in der die nicht erledigte Tagesordnung der vorigen Buckauer Versammlung fortgesetzt werden sollte. Bekanntlich handelte es sich um die Frage: „Wie stellen sich die Buckauer ‚Genossen‘ zu der in Magdeburg herrschenden Taktik?“ Diesmal war die Versammlung von dem stellvertretenden Vertrauensmann einberufen worden, der sie um ¾ 9 Uhr eröffnete. Nachdem man sich mit dem Antrage, die Leitung dem Bureau der vorigen Versammlung zu übertragen, einverstanden erklärt hatte, übernahm Herr Klees den Vorsitz. Als erster Redner trat Herr Meyer (Magdeburg) auf, der sich gegen die Äußerungen über die Kosten für Strafmandate, die bei besserer Wirtschaft teilweise hätten vermieden werden könne, wendet und die Ausgaben für Strafmandate als unverschuldete hinstellte. Herr Klees teilte mit, dass ein Geschäftsordnungsantrag des Herrn Gärtner eingegangen sei, der erst zur Verlesung und Abstimmung kommen müsse. Der Antrag verlangte, dass in dieser Versammlung, die von den Buckauer Sozialdemokraten einberufen worden sei, nur „Buckauer Genossen“ Stimmrecht ausüben und Anträge und Resolutionen stellen könnten. Hiergegen wurde von den anwesenden Magdeburger Sozialdemokraten, namentlich Führern, Protest erhoben, während von den Buckauern der Antrag unterstützt wurde. Es entstanden hierbei starke Reibereien und der Lärm wurde oft so groß, dass der Vorsitzende nur mit Mühe Ordnung halten konnte. Bremer bat darum, den Antrag dahin abzuändern, dass den „Buckauer Genossen“ nur das Stimmrecht in dieser Versammlung zuerkannt würde, während Anträge und Resolutionen von jedem Anwesenden gestellt werden könnten. Mit dieser Fassung erklärte man sich schließlich durch Abstimmung einverstanden. Es nahm nun Herr Brinkmann (Sudenburg) das Wort, der die Haltung und das Vorgehen der „Buckauer Genossen“ scharf verurteilte. Er wurde bei seinen Ausführungen verschiedentlich persönlich und suchte seine Rede durch starke Ausdrücke zu verschärfen. Hierbei entwickelte sich im Saale ein fürchterlicher Lärm: Die „Buckauer“ schrien „Herunter von der Bühne!“ usw. während die „Magdeburger“ zustimmende Rufe ertönen ließen. Der Lärm wurde so groß, dass der Redner mit seiner Stimme nicht mehr durchdringen konnte und der Vorsitzende sich genötigt sah, die Versammlung auf 10 Minuten zu vertagen. Während der Vertagung herrschte im Saale große Unruhe und es kam bei einzelnen Gruppen zu scharfen Auseinandersetzungen. Als die Versammlung wieder eröffnet worden war, suchte Herr Brinkmann die „Buckauer Genossen“ nochmals von ihrer „undemokratischen“ Handlungsweise zu überzeugen, womit er jedoch wenig Gehör fand. Fast sämtliche „Magdeburger Genossen“ verließen dann das Lokal. Herr Ellguth (Buckau) schilderte nun die in Magdeburg eingeschlagene verwerfliche Taktik, die schließlich in das Lager der Anarchisten führen würde, während Herr Klees die Gründe klar legte, die die Buckauer Sozialdemokraten zum Zusammentreten veranlasst hätten. Man wolle nicht eine Sonderstellung einnehmen, sondern sich nur darüber aussprechen, ob man die Magdeburger Taktik billigen können oder nicht. Nachdem noch mehrere Redner sich in ähnlichem Sinne geäußert hatten, wurde noch nachfolgende Resolution gegen wenige Stimmen angenommen:

„Die Buckauer Genossen“ verurteilen die Taktik der Magdeburger Parteileitung und die Haltung der „Volksstimme“.

Außerdem beschloss die Versammlung, für Buckau einen eigenen Vertrauensmann zu wählen. Die Wahl des Vertrauensmannes, die sogleich vorgenommen wurde, fiel auf Herrn Vater. Nachdem noch einige Anfragen erledigt worden, wurde die Versammlung gegen 12 Uhr mit Hochrufen auf die internationale Sozialdemokratie geschlossen. Unter dem Gesang der Arbeitermarseillaise leerte sich der Saal.