Versammlung der Buckauer Sozialdemokraten

Magdeburgische Zeitung Nr. 363, 21. Juli 1891

Magdeburg, den 21. Juli. Eine öffentliche Versammlung der Sozialdemokraten Buckaus war zu Montagabend nach dem großen Saale des Konzert- und Ballhauses „Choreum“ einberufen um darüber zu verhandeln: „Wie stellen sich die Buckauer Genossen zu der in Magdeburg herrschenden Taktik?“ Die Versammlung war eine Folge der großen Volksversammlung in der „Flora“, in der die Buckauer Sozialdemokraten sich mit der dort angenommenen Resolution nicht einverstanden erklärten. Herr Klees legte in eingehender Weise die herrschenden Verhältnisse dar; auch er habe nicht für die Resolution gestimmt, füge sich aber der Mehrheit; die Einberufung dieser Versammlung habe er ebenfalls nicht gebilligt, aber auch hier sei für ihn die Mehrheit maßgebend gewesen, weshalb er auch das Referat in der Versammlung übernommen habe. In der Besprechung wurde von Herrn Brinkmann betont, dass es nicht nötig gewesen sei, diese Versammlung einzuberufen, welche nur eine Spaltung in der Partei herbeiführen könne. Es wage jetzt schon fast kein Arbeiter mehr, Flugblätter, Streiklisten und dergleichen zu vertreiben, und in den Versammlungen würde fast immer gestritten, aber niemals über das verhandelt, was für den Arbeiter von Vorteil sei; die Personenfrage müsse vollständig aus dem Spiele bleiben. Der Vorsitzende verlas hierauf eine Resolution, in der die Versammlung aussprechen sollte, dass die heutige Versammlung geeignet sei, eine Spaltung unter den hiesigen Sozialdemokraten herbeizuführen und dass der Einberufer nicht kompetent gewesen wäre, die Versammlung anzuberaumen. Herr Meyer verurteilt, dass die Versammlung nur in Buckau angekündigt worden sei; ein Teil eines Wahlkreises habe nicht das Recht, Versammlungen einzuberufen, die sich gegen die Taktik der anderen Stadtteile richte. Die jetzt ausgebrochene Zwistigkeit müsse auf ruhigem Wege beigelegt werden, um die Sozialdemokratie in ihrem Bestreben, in die bisher noch indifferenten Massen einzudringen, nicht zu hindern. Herr Ellguth bestritt die Unrechtmäßigkeit der Einberufung; der Vertrauensmann sei von den Buckauer Sozialdemokraten mehrere Male aufgefordert worden, eine Versammlung einzuberufen, habe dies jedoch nicht getan; deshalb hätte sich Buckau veranlasst gesehen, diese Versammlung einzuberufen und die Tagesordnung rechtfertige die Einberufung. Seines Dafürhaltens sei das Vorgehen der Magdeburger Leiter nicht richtig; es heiße da immer nur geben und geben, und gegen eine derartige Taktik müsse Front gemacht werden. (Unruhe.) Es müsse vorsichtiger verfahren werden, damit es nicht wieder vorkomme, dass in einem Vierteljahre 1500 M für Strafmandate ausgegeben werden müssten. So könne es nicht fortgehen. Für den Polizeisäckel wollten sie nicht steuern, die sauer verdienten Groschen sollten auf andere Weise verwendet als durch untaktisches Vorgehen verschleudert werden. Der Vertrauensmann habe auch versprochen, in Betreff der eingehenden Gelder keinen Partikularismus mehr zu treiben und die Höhe der eingehenden Gelder nach den einzelnen Stadtteilen nicht mehr zu veröffentlichen, trotzdem habe er dies doch getan. Nach seiner Ansicht sei das Vorgehen der hiesigen Parteileitung ganz entschieden zu verurteilen. Herr Klees bezeichnete es als unrichtig, wenn man einen Genossen in einer Versammlung, statt dass man ihn reden lasse, verhöhne, wie es in der „Flora“-Versammlung geschehen; auch die Rechte der Minderheit müssten geachtet werden. Ebenso verurteilte er das Verhalten der „Volksstimme“ in dieser Beziehung, das eher dazu angetan sei, die Partei zu schädigen als zu fördern. Er hege die Hoffnung, dass die Mitarbeiter an der Parteipresse in der Versammlung ein Zeichen sehen, wie es die Genossen von Buckau meinen. Nicht schöne Worte und Phrasen wolle man hören, sondern an die Vernunft müsse appelliert werden, und dass dies bald geschehe, sei sein sehnlichster Wunsch. Im weiteren Verlaufe der Diskussion äußerten sich fast alle Redner gegen die eingebrachte Resolution, von den Buckauern wurde noch Klage darüber geführt, dass sie stets als Stimmvieh und Klees als ihr Diktator bezeichnet würden, sie hätte stets ihre Schuldigkeit getan und würden sie auch ferner tun. Auch die Leitung der „Volksstimme“ wurde sehr scharf angegriffen, und zwar namentlich wegen es im Feuilleton abgedruckten Dramas „Dantons Tod“, das den Ansichten der Parteigenossen Hohn spreche und eher dazu geneigt sei, der Partei zu schaden, als sie zu fördern; wenn man diesen Artikel z. B. auf dem Lande zur Agitation benutzen wolle, so würde man gerade das Gegenteil von dem erreichen, was man bezwecke. Ein Antrag auf Schluss der Rednerliste wurde angenommen; es hatten sich jedoch noch so viele Redner gemeldet, dass nicht mehr alle das Wort erhalten konnten, weshalb beschlossen wurde, in einer in etwa 14 Tagen stattfindenden Versammlung die Debatte fortzusetzen und die Abstimmung über die Resolution vorzunehmen. Um 12 Uhr schloss Herr Klees die namentlich gegen den Schluss immer unruhiger werdende Versammlung mit einem Hoch auf die internationale Sozialdemokratie, und unter dem Gesang der Arbeitermarseillaise leerte sich der Saal.