Sozialdemokratische Versammlung

Magdeburgische Zeitung Nr. 351 vom 15. Juli 1891

Montagabend fand in der „Flora“ eine öffentliche Volksversammlung statt, die wohl von 2000 Personen besucht war. Nachdem die Versammlung um ½ 9 Uhr eröffnet worden, übernahm Herr Lankau den Vorsitz. Zunächst erstattete der Vertrauensmann der hiesigen Sozialdemokratie über die Tätigkeit in der hiesigen Partei während des zweiten Vierteljahres Bericht. Er meinte, dass sich die Verhältnisse gebessert hätten; es sei ein zahlreicher Besuch der 13 abgehaltenen öffentlichen Versammlungen zu verzeichnen, und die materielle Unterstützung hätte sich gegen das vorige Vierteljahr bedeutend gehoben. Zu der regeren Teilnahme hätte namentlich die Maifeier und die Schließung der Arbeitervereine beigetragen; denn die scharfen polizeilichen Maßnahmen hätten wie immer die „Genossen“ fester zusammengeführt. Er gab dann Bericht über die Kassenverhältnisse. Danach war ein Bestand aus dem vorigen Vierteljahr von 675 M vorhanden. Hierzu kommen die Einnahmen mit 2946 M, zusammen 3621 M. Die Ausgaben belaufen sich auf 1199 M, so dass ein Bestand von 2922 M vorhanden sei. Hierzu kommen noch besondere Einnahmen für den Maifonds mit etwa 1500 M und andere, so dass etwa 4000 M Einnahmen zu verzeichnen seien, womit man recht zufrieden sein dürfe. Dann gab der Vertrauensmann noch einen Bericht über die gerichtlichen und polizeilichen Maßnahmen und Strafen seit dem 1. Oktober 1890, wonach sich die verhängten Gefängnisstrafen auf 22 Monate und 3 Wochen und die Gesamtunkosten auf etwa 10.000 M belaufen sollen. Nachdem für den Bericht ein Prüfungsausschuss gewählt worden, ging man zum letzten Punkt der Tagesordnung über. Es handelt sich um die Beschlussfassung über die in der letzten Versammlung des allgemeinen Arbeitervereins eingebrachte Resolution bezüglich der Münchener Reden des Abg. v. Vollmar, deren Wortlaut in der Donnerstagsnummer dieser Zeitung (Abendausgabe) abgedruckt ist. Die Resolution wurde von Herrn Dr. Lux begründet und in längerer Rede die Annahme empfohlen. Es entbrannt nun ein heißer Streit. Einige Redner (meist Führer) wendeten sich gegen die Resolution, andere waren wieder dafür; dabei fehlte es an scharfen Auseinandersetzungen nicht, so dass mehrmals vom Vorsitzenden zur Ruhe aufgefordert werden musste. Als man sich ziemlich zwei Stunden herumgestritten hatte, wobei deutlich zwei Parteien zu Tage traten, wurde die Besprechung geschlossen. Obgleich noch mehrere andere Resolutionen eingegangen waren, wurde die oben erwähnte Resolution mit kleinen Fassungsänderungen, wobei namentlich der Name „Bebel“ im letzten Absatz gestrichen wurde, mit Mehrheit angenommen. Die Gegner wollten die Mehrheit nicht anerkennen, so dass nochmals abgestimmt werden musste, und es entschied sich jetzt eine noch größere Mehrheit für die Annahme der Resolution. Unter großem Lärm wollten noch einige Redner sprechen, doch diese konnten nicht zu Wort kommen und der Versitzende schloss kurz nach ½ 12 Uhr die Versammlung. Unter Schimpfworten, großem Lärm usw. leerte sich langsam der Saal.