An die sozialdemokratischen Parteigenossen Berlins

Motto: Erinnere Dich, mein Sohn, dass man begeistert sein muss, um große Dinge zu vollbringen. St. Simon

Aus: Müller, Hans: Der Klassenkampf und die Sozialdemokratie. Zur Geschichte der "Jungen", der linken Opposition in der frühen Sozialdemokratie [1870/90]. Reprint. Heidelberg, Frankfurt, Hannover, Berlin (Zürich) 1969 (1892)

Eine Anzahl Genossen aus allen Berliner Reichstagswahlkreisen, welche unter dem Sozialistengesetz keine Gefahren und Opfer scheuten, um die Ideen der Sozialdemokratie unter der Arbeiterbevölkerung zu verbreiten, und denen, neben der siegreichen Macht dieser Ideen selbst, die heutige Stärke der Partei wesentlich zu verdanken ist, kann es nicht länger mit ansehen, wie der revolutionäre Geist dieser Bewegung seitens einzelner Führer systematisch ertötet wird.

Es wäre Verrat an der uns heiligsten Sache, wenn wir noch länger müßig zusehen wollten, wie die Diktatur jedes demokratische Denken und Fühlen erstickt – wie die ganze Bewegung immer mehr verflacht und schon jetzt zur puren Reformpartei kleinbürgerlicher Richtung herabgesunken ist – wie der Revolution von der Tribüne des Reichstages herab feierlichst abgeschworen wird, und täglich alles geschieht, um einen Ausgleich zwischen Proletariern und Bourgeois herbeizuführen. Wenn Lassalle und Liebknecht damals Recht hatten, als sie von der Fortschrittspartei behaupteten, dass sie sich während der preußischen Konfliktszeit tot geredet habe, dann trifft dies auch heute wieder auf die sozialdemokratische Reichstagsfraktion zu.

Wir wenden uns mit diesem Flugblatt hauptsächlich an die überzeugten und zielbewussten Genossen, und erst in zweiter Reihe an diejenigen, welche es nur dem Namen nach sind. Und da möchten wir die Ersteren hier gleich zu Anfang fragen: "Wer von Euch fühlt heute noch diese glühenden Begeisterung in sich angesichts der sogenannten Arbeiterschutz- und Versicherungsanträge, welche uns vordem alle Hindernisse überwinden half und uns trotz unserer geringen Anzahl der Regierung und übrigen gesetzmachenden Gesellschaft so oft furchtbar erscheinen ließ?"

"Aber" – hören wir hier manche sagen – "im Interesse der Partei muss jeder Genosse der Majorität sich unterordnen, auch wenn diese Majoritätsbeschlüsse der eigenen Ansicht schnurstracks entgegen stehen!"

Diese Ansicht ist grundfalsch und muss schließlich zur politischen Korruption führen.

Die Majorität einer politischen Partei ist sehr oft eine rein zufällige und setzt sich, auch bei der Sozialdemokratie, namentlich seit den letzten Wahlen, aus den verschiedensten Interessengruppen zusammen. Majoritätsbeschlüsse kommen daher fast immer mit Rücksicht auf andere Parteien und Gesellschaftsklassen zu Stande, und haben sehr oft mit den Prinzipien der eigenen Partei nicht nur sehr wenig gemein, sondern sie laufen diesen Prinzipien öfter schnurstracks zuwider, und ebnen so den Boden einer Schwenkung nach rechts, die leider von den meisten erst dann bemerkt wird, wenn sie vor der vollendeten Tatsache stehen.

Der Sache selbst schadet man also nicht, wenn man die Parteileitung und die nach unserer Ansicht falsche und verkehrte Taktik der Partei bekämpft.

Die Disziplin wird bedingt durch die Organisation; über beidem aber muss für jeden Parteigenossen in erster Linie das Prinzip, die Idee des revolutionären Sozialismus stehen. In den meisten Fällen hat nun der Sozialismus und auch die Demokratie fast nichts gemein mit dem, was unsere Vertreter im Reichstage den herrschenden Klassen abdisputieren wollen, wie wir weiter unten beweisen werden.

Die sozialdemokratische Bewegung in Deutschland ist von Anfang an eine durch und durch revolutionäre und proletarische gewesen, der gegenüber alle übrigen Gesellschaftsklassen als die "eine revolutionäre Masse" noch bis vor ganz kurzer Zeit von jedem Parteigenossen bezeichnet wurde.

Deshalb ist auch jeder Versuch, diese von Natur rein proletarische Bewegung, mit Rücksicht auf das mittlere und Kleinbürgertum, weniger revolutionär erscheinen zu lassen, ein Verrat an der Sache des Proletariats.

Dieser Vorwurf kann durch keinerlei Gründe wie "Verbreitung der sozialdemokratischen Ideen" beseitigt werden, weil wir ganz genau wissen, dass in oben genannten Gesellschaftskreisen nicht die Ideen des demokratischen Sozialismus es sind – wenn sie überhaupt gepredigt werden –, welche den Bauer und Kleinhandwerker etc. bestimmen, bei der Wahl einem Sozialdemokraten seine Stimme zu geben, sondern es entspricht einfach dem Interessenstandpunkt jener Leute, die sich bedrückt und geknechtet fühlen, und daher glauben, dass die Sozialdemokraten doch eigentlich weniger Rücksicht auf Regierung und Geldprotzentum zu nehmen brauchen und der Sozialismus vorläufig noch in die weite Ferne gerückt sei.

Den Industriearbeitern und wirklichen Sozialdemokraten kann es demnach ziemlich gleichgültig sein, ob bei der Reichstagswahl in Hinterpommern 500 oder 1000 Stimmen für uns abgegeben werden; einmal, weil es falsch ist, die vorgeschrittenen Arbeiterschaft auf die Bekehrung der zurückgebliebensten Länderstrichte zu vertrösten, und zum andern, weil es ein Betrug wäre, wenn man die Genossen glauben zu machen versucht, dass innerhalb der heutigen Gesellschaft mit Hilfe des Parlamentarismus, durch Majoritätsbeschlüsse die Sozialisierung der verschiedensten Klassen herbeizuführen sei.

Die soziale Revolution wird dort entschieden, wo sie zuerst begonnen hat; in den Industriezentren, wo die Proletarisierung schon seit 40 Jahren mit Riesenschritten vorwärts schreitet, unbekümmert um die Zustimmung der für alle Zukunft indifferenten Landbevölkerung.

Freiwillig werden die besitzenden Klassen niemals auf ihre Privilegien verzichten und, so lange es eine besitzenden Klasse gibt, wird es auch die nötige Anzahl Knechte geben, welche auf Kommando bereit sind, für ihre Henker ihr Blut zu verspritzen.

Ein eben solcher Unsinn ist es auch, das Volk glauben zu machen, dass den Königen ihr Handwerk schließlich zu schwer werden könnte und dieselben eines Tages erklären würden, dass auch sie auf ihre Vorrechte freiwillig verzichteten. Wo das bisher wirklich geschah, da geschah es zu Gunsten des Kronprinzen oder auch eines anderen Bevorrechteten, um dem Volk Sand in die Augen zu streuen und Hoffnungen zu wecken, die sich niemals erfüllten.

Ebenso verhält es sich mit dem "Hineinwachsen" der heutigen Gesellschaft in den sozialistischen Staat, der ohne jede Betriebsstörung alsdann über Nacht nur proklamiert zu werden braucht und in England eigentlich schon heute proklamiert werden könnte. Diejenigen, welche solchen Blödsinn in die Menge schleudern, hätten wirklich kein Recht, von politischen Kindsköpfen zu sprechen und zu schreiben. Sie selbst sind weit schlimmeres als das.

Wir sind daher der Ansicht, dass es an sich schon taktisch falsch ist, wenn eine Zentralstelle die Haltung der Genossen an den verschiedensten Orten in allen Dingen zu bestimmen hat. Es ist ganz undenkbar, dass die Genossen in Berlin und anderen Industriestädten, denen der Sozialismus schon seit 30 Jahren gepredigt wird, nur der Parteidisziplin wegen in allen taktischen Fragen Rücksicht auf das zurückgebliebenste Dorf und den an seine Scholle Gefesselten Bauern zu nehmen gezwungen sind. Hier, wo der Kampf ums Dasein auf dem Schlachtfelde der Industrie täglich Hunderte von Menschenleben fordert, die siechen und vor der Zeit zu Grunde gehen – hier rechnet man nicht, – sondern man fühlt instinktiv, dass etwas anderes als bisher geschehen muss, wenn nicht Verzweiflung in den Reihen der bewährtesten Kämpfer platzgreifen soll.

Wir können auch nicht verstehen, dass alljährlich nationale und internationale Kongresse mit schweren Opfern zu Stande kommen, nur um die dort gefassten Beschlüsse bei der ersten Gelegenheit unter irgend einem Vorwand wieder umzustoßen, wie diese mit der Maifeier schon zweimal geschah und mit dem Verhalten bei Stichwahlen etc. schon öfter.

Als die Partei noch jung war und nur aus Proletariern bestand, da wäre eine Taktik wie die heutige ganz unmöglich gewesen.

Die einfach Tatsache, dass diese Taktik dennoch möglich ist, beweist schon allein, dass die Partei aus Elementen sich zusammensetzt und geleitet wird, die zum Teil ganz andere Ziele verfolgen, keinesfalls aber identisch sind mit jenen, die Gut und Blut ihrer Überzeugung zu opfern stets bereit waren und noch sind.

Was nun die Zweckmäßigkeit des Parlamentarismus betrifft, der heute das Mädchen für alles ist, so deckt sich auch heute noch unsere Ansicht darüber mit der des Genossen Liebknecht, welche derselbe in seiner Broschüre "Die politische Stellung der Sozialdemokratie" festgelegt hat und die wir wörtlich folgen lassen.

In Bezug auf den Reichstag schrieb Liebknecht damals, es war im Jahre 1869, unter anderem Folgendes:

"Einen direkten Einfluss auf die Gesetzgebung kann unser Reden nicht ausüben. Den Reichstag können wir durch Reden nicht bekehren. Durch unser Reden können wir keine Wahrheiten unter die Massen werfen, die wir anderweitig nicht viel besser verbreiten könnten.

Welchen praktischen Zweck hat also das Reden im Reichstag? Keinen! Und zwecklos reden ist Toren Vergnügen. Nicht ein Vorteil! Und nun auf der anderen Seite die Nachteile: das Prinzip geopfert, der ernste politische Kampf zur parlamentarischen Spiegelfechterei herabgewürdigt, das Volk zu dem Wahne verführt, der Bismarcksche "Reichstag" sei zur Lösung der sozialen Frage berufen. – Und wir sollen aus "praktischen Gründen" parlamenteln? Nur der Verrat oder die Kurzsichtigkeit kann es uns zumuten."

Und an einer anderen Stelle schreibt Liebknecht:

"Der Sozialismus ist keine Frage der Theorie mehr, sondern einfach eine Machtfrage, die in keinem Parlament, die nur auf der Straße, auf dem Schlachtfelde zu lösen ist, gleich jeder anderen Machtfrage."

Damit vergleiche man nun die jämmerlichen Gesetzentwürfe und die kläglichen Reichstagsreden, welche die Fraktion, und Liebknecht mit, inzwischen verbrochen hat.

Auf was ist nun diese für jeden sichtbare Schwenkung zurückzuführen? Die Führer sagen, dass sie bei ihrem Vorgehen Rücksicht auf das Kleinbürgertum etc. zu nehmen gezwungen seien, um die Partei zu einer volkstümlichen zu machen und die breite Masse hinter sich zu haben. Wir aber sind der Ansicht, dass man mit dieser breiten Masse nur sich selbst und andere täuscht. Die Masse wird im gegebenen Augenblick eben so rasch abfallen, wie sie gekommen ist, weil ihr nicht mehr wie alles fehlt, was eine sozialdemokratische Gesellschaft beseelen muss. Die Masse kann schließlich jeder haben, der es versteht, sich überall den Verhältnissen anzupassen, wie die antisemitische Agitation dies auf das Deutlichste beweist.

Deshalb ist auch die neue Taktik in dieser Hinsicht nichts weiter, als ein Kompromiss mit der Masse, auf Kosten des Prinzips.

Wir alle glaubten, dass nach Aufhören des Sozialistengesetzes und dem Einzug von 35 Sozialdemokraten in den Reichstag die Agitation prinzipieller betrieben und Anträge unsererseits weiter als bisher gehen müssten, und das gerade Gegenteil trat ein.

Nach dem Entwurf unserer Fraktion soll der achtstündige Arbeitstag erst mit dem Jahre 1898 Gesetzeskraft erlangen, trotzdem auf dem internationalen Kongress in Paris 1889 beschlossen wurde, dass der achtstündige Arbeitstag schon jetzt überall von der Gesetzgebung zu fordern sei. Wie verträgt es sich aber außerdem mit der Demokratie, dass der Reichstag im Jahre 1890 etwas beschließen und zum Gesetz erheben soll, was erst im Jahre 1898 Gesetzeskraft erlangt? In unserem Programm fordern wir alljährliche Neuwahlen und halten es für unstatthaft, dass die jeweiligen Vertreter des Volkes irgend etwas festlegen, was erst zu einer Zeit zu Recht bestehen soll, wo unter Umständen bessere oder auch schlechtere, jedenfalls aber andere die Vertretung ausüben. Wie verträgt es sich ferner mit der Demokratie, wenn im Reichstage seitens unserer Fraktion bei Beratung der Gewerbenovelle der Antrag gestellt wird, dass das Einbeziehen verschiedener Gewerbe unter diese Gesetz durch Kabinettsorder, also den Kaiser persönlich, geschehen soll, und nicht durch den Reichstag oder der Zustimmung desselben?

Auch das ist ein Zugeständnis an die Krone, welches sich von unserem Standpunkte durch nichts rechtfertigen lässt, auch dann nicht, wenn man Grund zur Annahme hätte, dass der Träger der Krone volksfreundlicher als die Volksvertretung selber wäre.

Feind des Militarismus in jeder Form, verstieg sich dennoch Bebel im vorigen Jahre so weit, dass er der Regierung seine Unterstützung versprach, wenn sie in Anbetracht des rauchlosen Pulvers, anstatt der bisherigen blanken Uniform ganz schwarze Uniformen anschaffen wollte, was er später damit rechtfertigte, dass ja auch die verminderte Treffsicherheit des Feindes den bei der Armee sich befindenden Genossen zu Gute käme. Wer so argumentiert, kann schließlich alles rechtfertigen. Auch die Junker behaupten, dass die hohen Getreidepreise dem landwirtschaftlichen Arbeiter an seinem Lohne und somit dem Volke zu Gute kämen. Wenn die Regierung etliche hundert Millionen zum Kasernen- und Festungsbau verlangt, dann behauptet auch sie, dass dadurch Arbeitsgelegenheit geschaffen würde und der weitaus größte Teil dieser verlangten Summen doch wieder in die Taschen der Arbeiter zurückfließe. Dasselbe behauptet der Zünftler, wenn es sich um öffentliche Arbeitern handelt, gleichviel welchem Zweck sie dienen.

Das höchste in dieser Beziehung leistete in den letzten Tagen der ehemals als radikal bekannte Abgeordnete v. Vollmar. Wenn die Regierung nun immer noch kein Einsehen hat und dem, mit unstreitig staatsmännischem Talent ausgestatteten Genossen den Marschallstab nicht verleiht, dann hat er sich sicher das erste Anrecht auf das zunächst frei werdende Minister-Portefeuille durch seine Münchener Rede vom Montag, den 1. Juni, erworben. Nicht bloß die Nationalliberalen und Freisinnigen, auch wir haben jetzt unseren Staatsmann. Und tut man noch empört, wenn wir von Korruption sprechen? Das Wort ist zu gut, denn die Handlungen Einzelner grenzen nahezu an Verrat.

So hat sich auch die Agitation gegen die Getreidezölle durch nichts von dem, wie die Freisinnigen die Aufhebung begründen, unterschieden.

Mit keiner Silbe wurde der einzig richtige Standpunkt, den schon Karl Marx 1849 in seiner Brüsseler Rede vertrat, von unseren Abgeordneten erwähnt. Die Agitation zum Reichstag und allem, was damit zusammenhängt, welche bisher stets als Mittel zum Zweck betrachtet wurde, ist jetzt Selbstzweck geworden, und dies alles bloß, um das Linsengericht eines sogenannten Arbeiterschutzgesetzes, das viel eher ein Schutzgesetz der Unternehmer genannt zu werden verdient und durch den neu hinzugekommenen Kontraktbruchparagraphen all die sogenannten Vorteile, welche dem Arbeiter scheinbar aus dem übrigen Gesetz erwachsen, zehnfach wieder aufhebt.

Der praktische Erfolg steht also durchaus in gar keinem Verhältnis zu den Opfern, welche die Partei deshalb zu bringen verpflichtet ist. Nicht Unehrlichkeit werfen wir aber deshalb den Führern vor, sondern allzu große Rücksichtnahme auf alle möglichen Machtfaktoren, hervorgegangen aus der veränderten Lebensstellung und der zu geringen Fühlung mit dem Proletarierelend, dem Pulsschlag des gequälten Volkes.

Wer aber bis jetzt immer noch hoffte, dass die Taktik sich bald ändern könnte, den dürfen die Auslassungen Bebels, sowie seine offene Kriegserklärung an alle diejenigen, welche in Zukunft nicht Ordre parieren, in der Feenpalast-Versammlung vom Freitag, 3. Juli, eines Besseren belehrt haben.

Betreffs der allgemeinen Feier am 1. Mai wusste auch Bebel diesmal nichts weiter anzuführen, als dass jedenfalls in Folge dessen noch heute 10.000 keine Arbeit hätten, wenn die Fraktion nicht noch rechtzeitig erkannt, dass bei der eigetretenen Krisis eine Kraftprobe der Partei nicht angebracht sei. Verhält sich denn das aber wirklich so, oder leidet auch diese Ansicht an demselben Grundfehler wie alle übrigen oben angeführten Maßnahmen der Partei? Das Unternehmertum hat schon immer, wo es sich stark genug fühlte und Zeit und Umstände günstig waren, fachgewerbliche und politische Organisationen der Arbeiter zu sprengen versucht und jeden überzeugungstreuen Arbeiter zu maßregeln verstanden, lange bevor der 1. Mai als ein gegen das Unternehmertum gerichteter Weltfeiertag vom internationalen Kongress proklamiert war.

Wenn man aber zugibt, dass das Unternehmertum stark genug ist, um bei einer derartigen Kraftprobe des Proletariats Hunderttausende von Arbeitern auf das Pflaster zu werfen, dann ist es sicherlich auch stark genug, unter den gleich günstigen Verhältnissen jede Beteiligung an dieser Demonstration überhaupt in gleicher Weise zu ahnden, auch wenn dieselbe auf einen Sonntag fällt, da die Bedeutung ja dieselbe sein soll.

Aber auch die Demokratie bekam von Bebel in dieser Versammlung einen so derben Faustschlag ins Gesicht, dass wir noch jetzt nicht begreifen können, wie ein Mann an einem Abend, ja in einer Stunde alles das zertrümmern kann, was er seit 25 Jahren selber mit aufgebaut und in Wort und Schrift so tapfer und energisch vertrat.

Eine eigene Partei sollen diejenigen sich gründen, welche nicht blindlings mit allem einverstanden sind, was die Parteileitung für gut befindet. Ist denn das nicht die Regierung in einer anderen Form? Glaubt denn auch Bebel heute schon, dass er die Unzufriedenheit wird beseitigen können, wenn er einige Wortführer dieser Unzufriedenen beseitigt?

Wir sind heute, was wir vor 10 oder 15 Jahren schon waren, und werden auch in Zukunft dasselbe sein: überzeugte Sozialisten und wirkliche Demokraten.

Wir betrachten uns nach wie vor zur sozialdemokratischen Partei gehörig und lassen uns weder von den Leitern unserer Partei, noch von sonst jemand zu etwas drängen, was gegen unsere Überzeugung streitet.

Auch liegen zwischen dem Reichstag und der Revolution auf dem Gendarmenmarkt noch mehrere Mittelstraßen, welche nach unserer Ansicht rascher zum Ziele führen, trotzdem wir schließlich vor der äußersten Konsequenz des einmal für richtig Erkannten, nicht zurückschrecken würden, trotz aller demagogischen Verhetzung und Angstmeierei.

Wir erwarten aber auch von denjenigen Parteigenossen, welche mit uns, namentlich unter dem Sozialistengesetz, für die Verbreitung unserer Ideen so tapfer kämpften, dass sie sich endlich aufraffen und wieder mit uns der Versumpfung entgegentreten.

Dann wird auch die alte Begeisterung wiederkehren, welche die Tatkraft stählt und alle Schwierigkeiten überwinden hilft.

Hoch die internationale revolutionäre Sozialdemokratie!